PRIVATE KUNSTSAMMLUNG VON PROF. DR. PHIL. DAVOOD ROOSTAEI 1959 - 2023
DER BEGRÜNDER DES KRYPTOREALISMUS
NACHFAHRE PERSICHER FÜRSTEN
DR. WOLFGANG SOURE
ist ein deutscher Kunstkritiker, Kunsthistoriker und Schriftsteller.
Dr. Wolfgang Soure über die Kunst von Davood Roostaei
Orientalische Mystik und aktionshafte Farbsprengung in einer neuen Kunstrichtung.
Die Malerei dieses Künstlers zeichnet sich durch zwei Besonderheiten aus, durch die sie rar und außergewöhnlich ist. Auffallend ist zunächst die zauberisch schöne und glanzvolle Farbenprächtigkeit, mit ihrer legendenartigen und lebensfreudigen Tönung. Roostaeis Kolorismus birgt eine große Vergangenheit in sich und lässt assoziativ an die paradiesischen Gärten Altpersiens denken mit deren üppigen Blumen, Früchten und Fabeltieren oder an den verfeinerten Farbauftrag von persischen Miniaturen und deren Illustrierungen von Dichtungen und Märchen. Aber das sind, wie gesagt, nur Assoziationen und Erinnerungen, die sich beim Betrachten von Davood Roostaeis halbabstrakten und emotional dynamischen Großikonen einstellen. Sie lassen in ihrer wirbelnden Fülle an Pollocks tachistisches Verfahren denken, auch an die antinaturalistische Malweise der Fauves oder an die expressive Ekstatik eines Chaim Soutine. Roostaei stellt Visionen mit einer entfesselten und zugleich geordneten, weil gesteuerten Farborchestrierung dar, die einen aperspektivischen und unendlichen Raum entstehen lässt, in den er figurative Linienspuren und Gegenstandsfragmente einschreibt. Lineamente formen sich zu Andeutungen von Wirklichkeit wie auf "Kreislauf der Schöpfung" oder "Drei Weisheiten", vorgetragen mit veristischer und klassischer Zeichnung. Dann wieder gibt Roostaei nur psychogrammatische Kürzel und gestuelle Partikel von Erlebnissen oder Gedanken. Der renommierte Hamburger Kunstkritiker Professor Hanns Theodor Flemming hat diese für Roostaei prototypische bildnerische Verfahrensweise treffend mit "Kryptorealismus" bezeichnet. Der Begriff ist von dem griechischen Wort "Kryptos" abgeleitet und heißt versteckt, heimlich, geheim, setzt also eine sehr verfeinerte Art der Wahrnehmung voraus. Aus der Vereinigung von figurativer und abstrakter Malerei entsteht ein geheimnisvoller und verborgener – eben kryptischer – Bildlyrismus. Darin liegt das Besondere von Roostaeis Handschrift. Sein Krypto realistischer Stil ist das persönliche Bewältigungsverfahren für seine ihm eigene Welt – und Lebenserfahrung.
Dann ist weiter im Zusammenhang mit dieser lebensfrohen Chromatik und Farbigkeit Roostaeis humanistische, gar philosophische Auffassung von Kunst hervorzuheben. Er versteht sie als Vermittlerin von Menschlichkeit, als Ausdruck seiner Teilnahme an menschlichem Geschick, was er auch bei Vorführungen seiner Bilder zu Wohltätigkeitszwecken betont. Es geht ihm spontan um Menschliebe, als einfache und pantheistische Sympathie zum Dasein, zur Schöpfung, zum Menschen, zur gesamten Kreatur. Dabei ist die Bedrohung dieser Werte in der modernen Welt stets gegenwärtig. Roostaeis Bilddramatik ist als engagierte Gefühlsmalerei zu verstehen und das in dezidiertem Gegensatz zu kalter Rationalität, mit voller Hingabe an vitale Qualitäten. Es ist seine verinnerlichte Einstellung zum Leben, die sich in dieser humanitären Kunstauffassung äußert. Diese spezifische Vereinigung des Ethischen mit dem Ästhetischen hat etwas mit Roostaeis aus dem Sufismus sowie der arabischen Mystik stammenden Denken und Empfinden zu tun. Eine ursprüngliche und wahlverwandtschaftliche Beziehung liegt vor zwischen den rauschhaften Farbvisionen und Roostaeis altpersischem Humanismus, wobei letzterer auch als spiritueller und formbildender Einfluss zu verstehen ist, also nicht orthodox oder lehrhaft, was seinem Temperament fremd ist. Und zudem: Er kennt von früh an gut die alten, persischen Lyriker Hafis und Omar Chaijam, bei denen Dichtung, Liebe zum Leben – auch im Sinn von Lebenslust und dionysischer Rauschhaftigkeit – und dann stille, geistige Erleichterung zu einer Einheit verschmelzen. Auch daher kommen starke Anregungen. In dieser jahrhundertealten Tradition ist Roostaei mit seiner zugleich aktionshaft – westeuropäischen und kontemplativ – orientalischen Malerei angesiedelt.
Roostaei, der dem Jahrgang 1959 angehört, stammt aus einer kulturbewussten Familie, daher mag sich sein untrügliches Gefühl für tradierte Werte erklären. Noch jung, etwa sechszehnjährig, lehnt Roostaei sich gegen die Ungerechtigkeiten des herrschenden Schah-Regimes auf, wird verfolgt, verhaftet und in den Gefängnissen gefoltert. Doch gelingt ihm die Flucht. Nach abenteuerlichen Irrfahrten kommt er in Deutschland an, seiner neuen Heimat, dem ersehnten Land Goethes, Schillers und Beethovens, wie er sagt, und lässt sich in Hamburg nieder, wo er ausstellt und allmählich bekannt wird.
Nachzutragen ist noch folgendes von biographischer und metaphorischer Bedeutung. Der Geburtsort, eine kleine, sehr idyllische Stadt in Südpersien, nennt sich Sarab, was mit "Fata Morgana" zu übersetzen ist, wie Roostaei selbst nicht ohne Heiterkeit erklärt. "Lichtspiegelung" als Ortsbenennung seiner frühen, an romantischen Naturereignissen reichen Kindheit, vielleicht ist darin ein allegorischer Hinweis auf seine spätere Malerei zu sehen, seine Passion für dynamische Lichträume, brillierende Farbenreflexe und perspektivische Spiegelungen zwischen Mensch und Ding, wie auf den exaltiert und Krypto realistisch vibrierenden Großikonen "Tag der Freiheit" oder "Glasnost", die Freude, Hoffnung und den großen Atem der Befreiung ausstrahlen. Roostaei engagiert sich dabei ganz persönlich und politisch. Die Wortbedeutung des zauberhaften und heimatlichen Sarab ist in seinem Werk allgegenwärtig. Nomen est Omen!
Roostaei liebt Gegensätze, was sich in seiner Freude an Verkleidungen zeigt. Mal tritt er als Stierkämpfer in kostbarer, spanischer Gewandung, mal als Sufi – Wanderprediger in härenem, grobleinenem Umhang, jeweils Ausdruck von körperlichen und geistigen Kräften, deren psychischer Kontrast als Einheit zu sehen ist. Auch in diesen theaterartigen und spielerischen Travestien möchte Roostaei, wie in seiner Malerei, die verborgene Kraft hinter den Erscheinungsformen sichtbar machen. Auf dem Großbild "Nirwana" (1994) mit dem hinzüngelnden und lodernden Farbenkontinuum in feurigem – lavahaftem Rot, gibt er eine allegorische Darstellung des Urknalls am Weltanfang, wo sich aus dem Urchaos das Leben bildet. Der Bildtitel "Nirwana" weist auf indisches Gedankengut hin und auf die Lüftung des kosmischen Maja – Schleiers, der die Antriebskräfte des "blinden Willens zum Leben" (Schopenhauer) verbirgt.
Dr.Wolfgang Sauré